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Facharzt.de, 05.12.2016 – Kampf gegen Adipositas: Frauenärzte fordern konkrete Maßnahmen von der Politik

„Dass Politik und Gesellschaft dem Problem der Fettleibigkeit weiterhin nicht mit der gebotenen Konsequenz begegnen, obwohl vielfaches Leid entsteht und das deutsche Gesundheitssystem alljährlich mit zweistelligen Milliardenkosten belastet wird, ist nur als Ausdruck fehlenden Handlungswillens zu interpretieren“, sagt der Vorstandsvorsitzende der Genossenschaft, Frauenarzt Dr. Jürgen Klinghammer. Die 600 Mitglieder starke Ärzteorganisation aus Nordrhein-Westfalen fordert im Kampf gegen Übergewicht erneut konkrete Maßnahmen von der Politik. Wie zuletzt die Deutsche Diabetes Gesellschaft, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte spricht sich die GenoGyn unter anderem für die Einführung einer Zuckersteuer auf stark zuckerhaltige Getränke aus.Nach Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) von 2014 sind zwei Drittel der Männer (67 Prozent) und gut die Hälfte der Frauen (53 Prozent) in Deutschland übergewichtig. Etwa jeder vierte Erwachsene im Land (23 Prozent Männer, 24 Prozent Frauen) gilt sogar als adipös – Tendenz steigend. Der Anteil von Menschen mit extremer Adipositas (BMI über 40) hat sich zwischen 1999 und 2013 gut verdoppelt. Unter den Kindern und Jugendlichen sind geschätzte 20 Prozent übergewichtig, gut ein Drittel davon adipös.

„Bei geringer körperlicher Aktivität wird zu viel, zu fett, zu süß und zu salzig gegessen“, so Klinghammer. Auch zu wenig und unregelmäßiger Schlaf seien mit Gewichtszunahme verbunden. Die Folgen dramatisch: „Nicht nur für orthopädische Erkrankungen erhöht sich das Risiko, sondern gleichermaßen für Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, wie Bluthochdruck, und des Stoffwechsels, wie Diabetes mellitus, sowie für zahlreiche Krebsarten und auch für psychische Erkrankungen“, sagt der Kölner Frauenarzt. Einst typische Erkrankungen von Erwachsenen wie Diabetes Typ 2, Leberverfettung, Arteriosklerose, Hypertonie oder Gelenkschäden müssten inzwischen schon bei Kindern behandelt werden.

In der Primärprävention von Übergewicht und Fettleibigkeit übernehme die GenoGyn seit Jahren Verantwortung, habe Hunderte von Ärzten in Präventionsmedizin ausgebildet. Frühzeitige Patientenberatung in Fragen der Ernährung und des gesamten Lebensstils seien Teil ihrer frauenärztlichen Vorsorge. „Die gesetzgeberische Weichenstellung ist indes überfällig“, sagt Klinghammer und mahnt die Einführung einer Zuckersteuer an. Frankreich, Finnland, Belgien, Ungarn, China und Mexiko erheben sie bereits, 2018 will Großbritannien folgen. Das deutsche Agrarministerium lehnt sie bislang ab. „Selbst die Lebensmittelkennzeichnung mit einem einfachen Ampelsystem, die wir seit Jahren fordern, wird auf Druck der Lebensmittelindustrie verhindert“, kritisiert der Frauenarzt. Jüngste Forderungen des WHO-Regionalbüros Europa, digitale Werbung für Lebensmittel mit hohem Fett-, Salz- und Zuckergehalt, die vor allem auf Kinder zielt, wirksam zu regulieren, unterstützt die GenoGyn. Das gilt auch für die Forderung der DAK nach besseren Konzepten der Adipositastherapie im Rahmen der GKV-Regelversorgung. „Appelle reichen nicht, wir brauchen endlich ein konkretes Maßnahmenpaket, um dem Übergewicht zu begegnen.“

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