10 Jahre Genossenschaft der Frauenärzte (04.06.2008)
Interview mit Dr. Jürgen Klinghammer aus dem GenoGyn-Vorstand:
„Nur als starke Gemeinschaft mit tragfähigen Zukunftskonzepten können wir bestehen!“
Herr Dr. Klinghammer, die GenoGyn zählt zu den ersten ärztlichen Genossenschaften. Waren Sie bei der Gründung 1997 und der Zulassung 1998 Ihrer Zeit voraus?
Dr. Klinghammer: In der Tat gehört die GenoGyn zu den medizinischen Genossenschaften der ersten Stunde, aber schon damals waren die Rahmenbedingungen schwierig, und wir haben die Stärke in der Gemeinschaft gesucht. Uns war klar: Wenn wir eine größere Gruppe sind, können wir wirtschaftlich gut zusammenarbeiten. Als erstes strebten wir den gemeinsamen Einkauf für den Praxisbedarf und die damit verbundenen Rabatte an, um die täglichen Kosten zu reduzieren. Dann kamen Kooperationen mit Firmen, um unseren Mitgliedern bei der Anschaffung von Geräten wie Ultraschall und CTG weitere Rabatte zu sichern.
Wie haben sich Ziele und Aufgaben der GenoGyn bis heute verändert?
Dr. Klinghammer: Eine gute wirtschaftliche Basis ist Voraussetzung für eine gute medizinische Qualität der Praxen, deshalb war das nächste Ziel die Praxiswirtschaftlichkeit der GenoGyn-Mitglieder durch IGeL-Seminare und Schulungen in Praxis- und Personalmanagement abzusichern. Nur wer wirtschaftlich erfolgreich arbeitet, kann sich neue Geräte leisten, kostenpflichtige Fortbildungen besuchen und auf diese Weise am medizinischen Fortschritt zum Wohl seiner Patienten teilnehmen. Medizinische Fortbildungen waren folgerichtig die nächsten Leistungen, die wir unseren Mitgliedern angeboten haben. In diesem Zuge entstand ein System von inzwischen 20 Qualitätszirkeln im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, die auf medizinisch höchstem Niveau und mit Referenten aus dem ganzen Bundesgebiet tagen und auch Nicht-Mitgliedern offenstehen. Ihre Protokolle sind übrigens in der GenoGyn-Geschäftsstelle einzusehen.
Neben der Wirtschaftlichkeit ergaben sich weitere Aufgaben. Seit eineinhalb Jahren bieten wir unseren Mitgliedern als einzige Organisation inzwischen auch eine umfängliche Basisberatung an. Darunter die kostenlose telefonische Erstberatung durch einen Steuerberater, einen Juristen und ein Wirtschaftsberatungsunternehmen. Wir leisten Beratung bei KV-Wirtschaftlichkeitsprüfungen, Abrechungsproblemen oder Plausibilitätsprüfungen und vermitteln günstige Beratungsangebote etwa bei einer Praxisneugründung oder einer Praxisübernahme.
Die Entwicklung im deutschen Gesundheitssystem hat uns aktuell veranlasst, mit den Integrationsverträgen einen dritten Aufgabenbereich in Angriff zunehmen. Dabei ist die GenoGyn bereits eine Kooperation mit dem Bund der Urologen e. G. eingegangen, um im Bereich der Harninkontinenz gemeinsam Verträge abzuschließen.
Kurzum, die GenyoGyn ist eine Basisorganisation, die an der Basis für die Basis, das heißt für jede einzelne Praxis, arbeitet und inzwischen auf einem Drei-Säulen-Modell fußt. Das sind: Wirtschaftlichkeit und Sicherung der medizinischen Qualität, Basisberatung der Mitglieder und schließlich die politische Handlungsebene der IV-Verträge.
Wie ist die GenoGyn heute organisatorisch aufgestellt?
Dr. Klinghammer: Derzeit bestehen die GenoGyn Rheinland mit etwas über 500 Mitgliedern, Hessen mit etwa 200 Mitgliedern und Bayern mit ebenfalls rund 200 Mitgliedern, die miteinander kooperieren und im GenoGyn-Dachverband als eingetragenem Verein miteinander verbunden sind.
Apropos Mitglieder: Sind Sie mit der Mitgliederzahl der GenoGyn zufrieden?
Dr. Klinghammer: Mit insgesamt über 900 Mitgliedern stehen wir gut da, aber zufrieden ist man natürlich nie! Deshalb möchte ich die Gelegenheit nutzen, an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass Frauenärzte aus Bundesländern, in denen es keine GenoGyn gibt, und das sind ja nun doch große Bereiche, durchaus die Möglichkeit haben, einer bestehenden GenoGyn beizutreten. Logistisch sind gemeinsame Einkäufe heute kein Problem. Sollte sich im eigenen Bundesland eine GenoGyn etablieren, ist der Wechsel dorthin unter Mitnahme des Geschäftsanteils von 511 Euro möglich.
Wo liegen die aktuellen Schwerpunkte der GenoGyn-Fortbildungen?
Dr. Klinghammer: Das sind ganz klar die Veranstaltungen zur Präventionsmedizin. Im Herbst 2008 bietet die GenoGyn den Frauenärzten erstmals eine komplette und zertifizierte Fortbildung zum Präventionsmediziner an. Die Veranstaltungen finden an drei Wochenenden in Düsseldorf und Köln statt und sind mit voraussichtlich 9 CME Punkten ausgeschrieben.
Was sagt der Berufspolitiker zum Mammographie-Screening und dem Chlamydien-Screening, das neu in den GKV-Leistungskatalog aufgenommen wurde?
Dr. Klinghammer: Das Mammographie-Screening in der vorhandenen Form sehen wir kritisch. Es ist gut für die Frauen, die sonst nie zu einer Untersuchung gegangen wären. Es ist von der Röntgenqualität gut, bleibt aber unvollständig, da eine Tastuntersuchung und Ultraschall in vielen Fällen zur sicheren Diagnose notwendig sind. Die Altersbegrenzung auf Frauen zwischen 50 und 70 ist vor allem in der Kritik, weil viele Mamma-Karzinome früher auftreten. Für die Frauen ist das Screening psychisch belastend, weil es sich um eine Reihenuntersuchung handelt bei der der behandelnde Arzt Befunde nur auf Wunsch erhält und die Patientin eine Woche oder länger auf ihr Ergebnis warten muss, unter Umständen sogar wieder einbestellt wird .
Das, im April 2008 eingeführte, Chlamydien-Screening halten wir aus medizinischer Sicht für sehr sinnvoll. Angesichts der starken Verbreitung der Infektion und der großen Unwissenheit in der Bevölkerung fordert die GenoGyn allerdings eine intensive Aufklärung der Risikogruppe, um den Erfolg des Screenings zu unterstützen. Politik und Medien haben wir kürzlich in einer Pressemitteilung zur Mithilfe aufgerufen. Dass es für die Beratung und Durchführung des Tests keine Abrechnungsziffer gibt, ist aus berufspolitischer Sicht untragbar. Langfristig befürchtet man gleichzeitig einen Qualitätsverlust, weil das Screening ab 2009 auf einen Urintest beschränkt ist und damit alternativ die Diagnose mittels Zervixabstrich entfällt.
Was sind die größten Herausforderungen für die GenoGyn in der nächsten Zukunft?
Dr. Klinghammer: Die wirtschaftliche Stabilität der Praxen steht bei uns ganz oben und bleibt deshalb unsere Nummer eins! Zu den künftigen Herausforderungen zählt aber zweifellos die Umstrukturierung der frauenärztlichen Praxis in eine Präventionspraxis, denn die gynäkologische Praxis herkömmlicher Art hat keine Zukunft. Wer sich nicht umstellt, wird durch Strukturveränderungen in den nächsten fünf bis zehn Jahren aufgerieben. Traditionelle Aufgabenbereiche wie Endokrinologie, Schwangerschaftsbetreuung, Mammadiagnostik und Onkologie werden durch andere Fachgruppen und Zentren übernommen werden, die jährliche Krebsvorsorge wird auf einen längeren Turnus geändert werden. Präventionsmedizin bietet neue notwendige Aufgaben. Zu den weiteren Herausforderungen gehören Vernetzungen innerhalb der Gynäkologen bis hin zu medizinischen Versorgungszentren, die wir begrüßen, solange sie in Eigeninitiative der freiberuflichen Mediziner angestrebt werden. Und natürlich zählt die Erarbeitung von IV-Verträgen für unsere, bewusst Fachgruppen gleichen, Mitglieder zu den Herausforderungen der Zukunft.
Ständige Herausforderung ist übrigens unser Blick über den Tellerrand. Die GenoGyn richtet ihn seit vier Jahren nach Afrika. Dort unterstützen wir in Zusammenarbeit mit der africa action / Deutschland e.V. ein Hilfsprojekt in Ghana, wo wir eine Partnerschaft mit dem St. Anthony’s Hospital in der Volta-Region unterhalten.
Herr Dr. Klinghammer, zum guten Schluss, auf den Punkt gefragt: Warum sollten Ihre Kollegen GenoGyn-Mitglied werden?
Dr. Klinghammer: Weil es allein nicht länger gut geht! Die herkömmliche Einzelpraxis braucht eine tragfähige Zukunftsperspektive, um zu überleben. In der GenoGyn genießt sie wirtschaftliche Vorteile, Basisbetreuung in allen Praxisbereichen und profitiert von unseren Zukunftskonzepten. Das Prinzip ist klar: Gemeinsam sind wir stark und je mehr Mitglieder wir gewinnen, desto stärker wächst unsere wirtschaftliche und politische Macht.
Die Pressestelle der GenoGyn dankt Dr. Jürgen Klinghammer für das Interview