Gesetz zur Termingarantie kostet freie Arztwahl – Frauenärzte der GenoGyn warnen vor zentralisiertem Gesundheitssystem (01.09.2014)
Köln. Unbeirrt hält die Große Koalition an ihrem Plan fest, durch gesetzliche Vorgaben zu gewährleisten, dass Patienten höchstens vier Wochen auf einen Termin beim Facharzt warten müssen. Die begründeten Einwände gegen dieses Vorhaben, das nach Medieninformationen am 1. April 2015 in Kraft treten soll, sind zahlreich und vielfältig. Auch die ärztliche Genossenschaft GenoGyn hält eine derartige gesetzliche Termingarantie für unnötigen Aktionismus. “Für die meisten Krankenversicherten sind Wartezeiten auf Arzttermine überschaubar und ein marginales Problem, wie verschiedene Befragungen ergeben haben. Es gibt keinen evidenten Bedarf für diese gesetzliche Regelung”, sagt Dr. Wolf Dieter Fiessler aus dem GenoGyn-Vorstand. Vielmehr warnen die Frauenärzte der GenoGyn vor einem zentralisierten Gesundheitssystem auf Kosten der freien Arztwahl und der Verdrängung der ambulanten fachärztlichen Versorgung.
“Die deutliche Mehrzahl aller Patienten in Deutschland hat innerhalb von drei Tagen einen Termin, und unter denen, die länger warten müssen, ist dies nur für einen kleinen Prozentsatz ein Ärgernis. Zudem gibt es international kaum vergleichbar kurze Wartezeiten auf Termine wie in Deutschland. Weit wichtiger ist den Patienten hingegen, vom Arzt ihrer Wahl, der ihre Krankengeschichte kennt und ihr Vertrauen hat, behandelt zu werden. Diese freie Arztwahl wird jedoch mit der Beauftragung von zentralen Termin-Servicestellen aufgegeben”, so Dr. Fiessler. Zugleich warnt der Kölner Frauenarzt vor zusätzlicher Bürokratie und damit verbundenen weiteren unproduktiven immensen Kosten, die dem Gesundheitswesen zusätzlich aufgebürdet werden. Offen sei auch, wer die Terminvergabe der Praxen überprüfe, ob neue Kontrollinstanzen eingerichtet werden müssen und vor allem nach welchen Kriterien die Patienten wohin gelenkt werden.
Die Frage der vermeintlich zu langen Terminwartezeiten – eine repräsentative Befragung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung unter Versicherten dokumentierte dagegen noch 2013 deutliche Zufriedenheit mit der Terminsituation – geht für die GenoGyn auch aus anderen Gründen an der Realität vorbei. So verfällt nach einer Untersuchung des Hartmannbundes Niedersachsen jeder siebte vereinbarte Facharzttermin ohne oder mit so kurzfristiger Absage, dass eine Behandlungsmöglichkeit für andere Patienten blockiert bleibt. Bundesweit verschärfen, laut Bundesärztekammer, mehr als 6,5 Millionen vereinbarte, aber nicht genutzte Termine pro Quartal die Situation in den Praxen.
Angesichts fehlender überprüfbarer Argumente für die Notwendigkeit von Änderungen bei der ärztlichen Terminvergabe sehen die Frauenärzte der GenoGyn in der Diskussion um eine vorgebliche Benachteiligung von Kassenpatienten eher eine populistische Scheindebatte, die neue, sonst nur schwer zu vermittelnde Weichenstellungen im Gesundheitssystem anbahnen könnte. So sei geplant, dass Patienten, die nicht binnen vier Wochen einen Termin beim niedergelassenen Facharzt erhalten, sich an eine Klinik wenden dürften, deren Leistungen dann aus dem Honorartopf der Niedergelassenen entgolten würden. Zur weiteren Öffnung der ambulanten Patientenversorgung für Kliniken füge sich eine seit wenigen Jahren geltende Regelung ein, nach der freiwerdende Arztsitze, für die sich kein Nachfolger finden lässt, an lokale Krankenhausträger fallen können. Auffallend sei auch, dass trotz Bettenabbaus manch kleineres Krankenhaus nicht mehr geschlossen werde. Es stehe zu befürchten, dass sie zu Ambulatorien umgewandelt werden, mit denen dann in Konkurrenz zu den niedergelassenen Praxen getreten werden soll. So besteht mehr als begründeter Anlass zur Spekulation, dass die gesetzliche Regelung zur Termingarantie in Wirklichkeit dazu dient, Bedarf für solche Ambulatorien zu schaffen und fachärztliche Versorgung durch niedergelassene Ärzte zu verdrängen. Gleichzeitig dürfte vielen Patienten nicht bewusst sein, dass eine gesetzliche Termingarantie anonyme Zuteilungsversorgung auf Kosten des Rechts auf persönliche freie Arztwahl bedeutet.
Text: GenoGyn-Pressestelle