„Social freezing“: Frauenärzte der GenoGyn warnen vor trügerischer Sicherheit (24.09.2013)

Köln. Befürworter sprechen von einer Fortsetzung der Emanzipation, Kritiker hegen ethische Vorbehalte: Das Einfrieren von unbefruchteten Eizellen ohne direkte medizinische Notwendigkeit spaltet die Gemüter. Fest steht, das sogenannte social freezing boomt in einigen Ländern bereits, und auch in Deutschland steigt das Interesse an der Kryokonservierung von Eizellen aus sozialen Gründen. Die Frauenärzte der GenoGyn warnen vor überzogenen Erwartungen, trügerischer Sicherheit und medizinischen Risiken.

Die Reproduktionsmedizin erlaubt es heute, unbefruchtete Eizellen zu entnehmen, sie einzufrieren und Jahre später zu einer künstlichen Befruchtung wieder einzusetzen. „Im Falle krebskranker Frauen, deren Fruchtbarkeit durch eine Chemotherapie oder Bestrahlung gefährdet ist, kann die Kryokonservierung von unbefruchteten Eizellen medizinisch indiziert sein“, sagt Frauenarzt Dr. Wolf Dieter Fiessler aus dem Vorstand der ärztlichen Genossenschaft GenoGyn. Die wachsende Nachfrage nach einer Fertilitätsreserve in der Kryobank, um den Zeitpunkt für ein Kind nach hinten zu verlegen, weil die Karriere Vorrang hat, weil der richtige Partner fehlt oder die Frau sich noch nicht reif genug fühlt, sehen die Mediziner kritisch. Im Kern handele es sich um ein gesellschaftliches Problem aufgrund der anhaltend schlechten Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie eines sich ändernden Partnerschafts- und Selbstverständnisses. „Als Frauenärzte haben wir aber vor allem die Aufgabe, die medizinische Aufklärung und umfassende Beratung der Frauen sicherzustellen“, so Dr. Fiessler.

Dazu gehört das Wissen um die derzeit geringen Erfolgsaussichten der Kryokonservierung von weiblichen Keimzellen. Experten beziffern die Geburtenrate pro aufgetauter Eizelle lediglich mit acht Prozent. Entscheidend für das Gelingen der Asservierung ist der Zeitpunkt, da die Qualität der Eizellen bereits ab Mitte 20 abnimmt. Jenseits des 35. Lebensjahrs sinken die Erfolgsaussichten drastisch. Die Überprüfung des sogenannten Anti-Müller-Hormons kann Hinweise geben, ob eine Frau noch über eine ausreichende ovarielle Reserve verfügt, so dass in einem oder mehreren Entnahmezyklen mindestens zehn besser 15 gesunde Eizellen gewonnen werden können. Damit mehrere Eizellen heranreifen, wird zunächst der Zyklus der Frau mit Hormonen stimuliert. Eine Überstimulation sollte vermieden werden. Die Entnahme der Eizellen aus den Eierstöcken erfolgt meist unter Narkose. Als Konservierungsmethode der Wahl gilt heute das Schockgefrieren der Eizellen (Vitrifikation). Gelingen später die künstliche Befruchtung der aufgetauten Eizelle und die Übertragung und Einnistung eines Embryos in die Gebärmutter, sind die medizinischen Risiken einer späten Schwangerschaft nicht zu unterschätzen, denn mit dem Alter steigt die Gefahr für Mutter und Kind etwa durch Schwangerschaftsdiabetes oder für eine Frühgeburt deutlich an. „‚Social freezing‘ ist mit anderen Worten derzeit noch weit davon entfernt eine sichere Familienplanung zu garantieren. Das sollte allen Frauen, die diese Methode in Erwägung ziehen, bewusst sein“, sagt GenoGyn-Vorstand Dr. Fiessler. Nicht zuletzt müssen die Frauen, wenn keine medizinische Indikation vorliegt, die hohen Kosten für den Entnahmezyklus, für die Kryokonservierung und die jährlichen Lagerungskosten selbst tragen.

Soziale Grenzbereiche des „social freezing“ müsse man ebenfalls thematisieren. Wie lange etwa darf man die biologische Uhr anhalten? „Es geht nicht allein um die Lebensplanung der betreffenden Frauen, sondern vor allem auch um den Lebensweg der Kinder mit möglicherweise Müttern in einem Alter, in dem man vor wenigen Jahrzehnten schon Großmutter war“, so der Kölner Gynäkologe.

Bei der Lebens- und Kinderwunschplanung empfiehlt die GenoGyn deshalb den Anti-Müller-Hormontest als Orientierung zu nutzen, um die verbleibende Zeit für eine natürliche Zeugung einzuschätzen. Er bietet die Möglichkeit, die ovarielle Funktionsreserve einer Frau durch eine Blutentnahme, am besten zwischen dem 3. bis 5. Zyklustag, zu überprüfen.