Ärztenachrichtendienst, 02.12.2019 – Gynäkologen fürchten Chaos in den Praxen

In einem Monat, zum 1. Januar 2020, soll das neue Zervixkarzinom-Früherkennungsprogramm starten. Doch nun fordert der Berufsverband der Frauenärzte vom Bundesgesundheitsministerium, den Start zu verschieben. Er fürchtet ein „Chaos in den Praxen“.

Wesentliche Fragen zur Umsetzung des neuen Zervixkarzinoms-Screenings seien einen Monat vor Start offen und eine flächendeckende Versorgung nicht gewährleistet, schlägt der Berufsverband der Frauenärzte in einem Schreiben an das Bundesgesundheitsministerium Alarm, das dem änd vorliegt. „Der Erfolg des organisierten Krebsfrüherkennungsprogramms sollte nicht durch die vielen ungeklärten Fragen zur Praxis-Organisation, Qualifikation, ausreichenden Finanzierung, zu den strukturellen Voraussetzungen und zum Datenschutz der Patientinnen gefährdet werden“, heißt es darin.

Ungeklärt ist demnach, „wie die Abklärungskolposkopie von pathologischen Befunden als flächendeckende Versorgung angeboten werden kann: Es gibt Bundesländer, in denen nur ein bis zwei Ärzte abklärungskolposkopisch tätig sind bzw. die entsprechende Qualifikation gemäß der neuen Qualitätssicherungsvereinbarung Abklärungskolposkopie erwerben konnten“. Es lägen zur Zeit auch keine Informationen vor, wie Vertragsärzte darüber informiert werden, welche Ärzte eine Abklärungskolposkopie durchführen dürfen.

„?Da mangels Genehmigung die zur Flächendeckung notwendige Anzahl von Dysplasie-Sprechstunden für die Abklärungskolposkopie nicht existieren, können, trotz ihres gesetzlich verbrieften Anspruches, nicht alle Patientinnen mit auffälligen Befunden durch die zwingend notwendige Abklärungskolposkopie weiter versorgt werden – oder nur mit dem Risiko eines gesundheitlichen Schadens ohne Anspruch auf Patientensicherheit mit großer zeitlicher Verzögerung und entsprechendem, unzumutbarem Reiseaufwand“, kritisiert der Verband.

Ein Problem sei auch eine fehlende Einbindung der notwendigen Softwaremodule in die Arztinformationssysteme der Praxen zur Umsetzung geforderten elektronischen Dokumentation.

„Ungeklärt ist“, schreibt der Verband weiter, „wie die Finanzierung der Abklärungs-Kolposkopie und der neu konzipierten und in ih?rem Umfang aufwändigen Krebsfrüherkennungsuntersuchung geregelt wird“ und „wie alle Praxen bundesweit bis 02.01.2020 ausreichend mit den in der Richtlinie vorgesehenen altersspezifischen Versicherteninformationen versorgt werden. ?Insgesamt sind somit grundlegende Strukturfragen, Versorgungsfragen und Fragen des Datenschutzes ungeklärt, die den geplanten Beginn des organisierten Krebsfrüherkennungsprogramms „Zervixkarzinom“ am 2. Januar unmöglich machen.“

„Das Chaos in den Praxen und die Verunsicherung der Frauen ist vorprogrammiert, fördert nicht ihre Compliance und ist weder ihnen noch ihren betreuenden ÄrztInnen zumutbar“, betont der Verband. Vor diesem Hintergrund müsse der BVF „als Vertreter der 15.000 FrauenärztInnen auf der Verschiebung des Inkrafttretens des neuen Programms zur Früherkennung des Zervixkarzinoms bestehen“.

GenoGyn unterstützt Forderung

Die Ärzteorganisation GenoGyn, die rund 600 niedergelassene Frauenärztinnen und –ärzte vertritt, hat sich am Montag der angeschlossen. „Die Folgen des neuen Screenings mit seinem methodischen Paradigmenwechsel bei der Früherkennung des Zervixkarzinoms sind für unsere Patientinnen bisher kaum absehbar und deshalb Gegenstand zahlreicher fachinterner Diskussionen“, sagte GenoGyn-Vorstand Dr. Edgar Leißling. „Es muss aber auch auf den Tisch, dass die praktische Umsetzung des Programms wenige Wochen vor dem Start absolut unzulänglich organisiert ist und für die involvierten Ärzte unzumutbare Unsicherheiten bestehen.“ weiter