„Weniger als Reinigungskraft“ (10/2013)
„Weniger als eine Reinigungskraft“
In gleichermaßen erschreckender wie überzeugender Weise beanstandet der renommierte Volkswirt Franz-Josef Müller in einem Offenen Brief an den KBV-Vorsitzenden Dr. Andreas Köhler, dass in Deutschland 14.500 Arztpraxen aus vertragsärztlicher Tätigkeit ausschließlich Verluste erwirtschaften und in vielen weiteren Praxen Ärzte nicht einmal das Nettoeinkommen einer Reinigungskraft erreichen. Besonders betroffen sind Augenärzte, Dermatologen, Frauenärzte, Hautärzte, HNO-Ärzte, Orthopäden und Urologen. 50 Prozent der konservativen Frauenärzte arbeiten für 10 Euro pro Stunde und darunter. Und das alles, obwohl die KBV in der Öffentlichkeit die allgemeine wirtschaftliche Situation aus vertragsärztlicher Tätigkeit als gut darstellt. Müller kann jedoch nachweisen, dass im Honorarbericht der KBV nicht nur die Kostenzuordnung systematisch falsch ist, sondern dass auch völlig ungeeignete statistische Kenngrößen verwendet worden sind. Müller vermutet, dass die KBV auf Weisung von Kassen und Politik, trotz katastrophaler wirtschaftlicher Verhältnisse in Tausenden von Praxen, für Ruhe an der „Ärztefront“ sorgen soll. Inwischen hat Dr. Köhler das Schreiben beantwortet. Müller seinerseits hat ihm gedankt und stellt fest, dass seine Kritik an der KBV inhaltlich unwidersprochen geblieben ist. Demzufolge dürfte jetzt auch jedem klar sein, warum ab dem 1. Oktober 2013 eine Pauschale zur Förderung der fachärztlichen Grundversorgung (PFG) gezahlt wird – im Fachbereich Gynäkologie 2,50 Euro pro Behandlungsfall. Das verspricht – statistisch gesehen – vielleicht nur ein Plus von 30 Cent pro Arbeitsstunde, aber immerhin. Jedenfalls sind es dann 30 Cent mehr als bei einer Reinigungskraft – und das sichert weiterhin die allseits gern gesehene „Ruhe an der Ärztefront“.