Frauenärzte leisten Krebsvorbeugung mit der „Pille“ – Orale Kontrazeptiva retten jährlich 50.000 Frauen das Leben (30.10.2013)
Köln. Die Ärztliche Genossenschaft GenoGyn betont seit Jahren das große Präventionspotential in der frauenärztlichen Versorgung, hat in einer zertifizierten Zusatzqualifikation deshalb, gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Anti-Aging Medizin e.V. (GSAAM), bereits rund 300 Mediziner in Präventionsmedizin ausgebildet. Jetzt hat ihr Kooperationspartner GSAAM erstmals die präventiv-medizinische Wirkung der Pille dokumentiert.
Rund sechs Millionen Frauen verhüten in Deutschland mit der Antibabypille. Vor allem in der Altersgruppe zwischen 20 bis 29 Jahren verlassen sich über 70 Prozent der jungen Frauen auf sie als Verhütungsmittel. Neben diesem primären Grund für die Einnahme gibt es allerdings noch weitere positive Nebenwirkungen, die nicht nur einen therapeutischen, sondern auch einen präventiv-medizinischen Zusatznutzen haben. Dass die Pille (orales Kontrazeptivum) den Menstruationszyklus der Frau reguliert, die Regelschmerzen mindert sowie das Hautbild, wie zum Beispiel bei Akne, verbessert, ist allgemein bekannt. Das präventive Potenzial der Pille, wie beispielsweise die Krebs-Prävention, kristallisierte sich jedoch erst in den letzten Jahren heraus. In der Oktoberausgabe der Fachzeitschrift „Gynäkologie und Geburtshilfe“ hat Prof. Dr. med. Bernd Kleine-Gunk, Gynäkologe und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Anti-Aging Medizin e.V. (GSAAM), nun erstmals den „therapeutischen Zusatznutzen“ der Pille umfassend dokumentiert (Kleine-Gunk, B: Hormonale Kontrazeptiva – Therapeutischer Zusatznutzen und nonkontrazeptiver Benefit, Gynäkologie und Geburtshilfe 2013, 18 (SH1) 20-23.)
„Häufig konzentriert man sich bei der Thematisierung der Antibabypille auf die unerwünschten Nebenwirkungen. Dass die Pille allerdings eine Reihe von häufigen Krebsarten vorbeugt, ist bisher nur wenig bekannt. Und dies, obwohl es bereits mehrere Studien gibt, die belegen, dass sich z. B. das Risiko für ein Ovarialkarzinom, die bösartigste aller gynäkologischen Krebserkrankungen, unter Einnahme der Pille um 25 bis 30 Prozent reduziert. Je länger die Einnahmedauer anhält, umso weiter verringert sich das Risiko – im Schnitt um weitere 20 Prozent je fünf Jahre. Dieser Schutz bleibt auch bei einer Absetzung für mindestens weitere 15 Jahre erhalten“, erklärt Professor Kleine-Gunk. Das bedeutet, dass die Sterberate, die bei dieser Erkrankung besonders hoch ist, durch die Einnahme der Pille weltweit um 30 Prozent und damit 20.000 Krebstode jährlich gesenkt werden kann.
Aber auch bei der Krebserkrankung des Gebärmutterkörpers (Endometriumkarzinom) zeigen aktuelle Studien, dass die Einnahme der Pille das Risiko der Erkrankung um die Hälfte reduziert. Die Dauer der Einnahme spielt auch hier bei der Risikoreduktion eine Rolle. Sobald die Pille abgesetzt wird, bleibt der Schutzeffekt noch mindestens 20 Jahre erhalten, egal ob eine Mikropille oder ein älteres hochdosiertes Präparat eingenommen wurde.
Die Pille scheint darüber hinaus auch bei nicht gynäkologischen Malignomen ihre präventiv-medizinische Wirkung zu entfalten. Bereits in der Women’s Health Initiative-Studie (WHI) wurde gezeigt, dass kombinierte Hormonersatzpräparate das Risiko, an Darmkrebs zu erkranken, minimieren. Gleiches gilt offensichtlich auch für die Pille. Laut einer Metaanalyse aus dem Jahre 2001 zeigte die Einnahme eine signifikante Reduktion um 18 Prozent auf, in einer erst kürzlich veröffentlichte Metaanalyse sogar eine Risikoreduktion um 30 Prozent.
„Die Sterblichkeit der Frauen, die jemals die Pille eingenommen haben, ist somit deutlich niedriger gegenüber Nichtanwenderinnen. Das bedeutet, dass bei zur Zeit 100 Millionen Pillenanwenderinnen weltweit die Einnahme der Pille jedes Jahr 50.000 Frauen das Leben rettet“, so Prof. Kleine-Gunk.
„Diese Zahl zeigt in beeindruckender Weise das Präventionspotential der Frauenheilkunde“, sagt GenoGyn-Vorstand Dr. Jürgen Klinghammer. Das sei auch bei der Vorbeugung von Krebserkrankungen aber längst nicht ausgeschöpft. „So lässt sich das Brustkrebsrisiko für Frauen allein durch Sport um 20 bis 30 Prozent senken, und die HPV-Impfung bietet erstmals die Chance, Infektionen mit Humanen Papillomviren (HPV) vom Typ 16 und 18 zu verhindern, die für etwa 70 Prozent aller Fälle von Gebärmutterhalskrebs verantwortlich sind.“ Die Impfung werde in Deutschland aber nach wie vor zu wenig genutzt, so der Kölner Frauenarzt weiter.